Tuning
Rekorde

Allgemein
Waren die ersten Lambrettas und Vepas in den ersten Jahren nur eine preiswerte Möglichkeit sich fort zu bewegen (ohne sich dafür komplett zu vermummen wie auf dem Motorrad), so entstand doch umgehend ein Duell zwischen den Fahrern der Marken, welcher Roller der schnellere wäre.

Hatte die erste Lambretta mit 125cc gegenüber der Vespa mit nur 98cc einen deutlichen Vorsprung, so gelang es doch umgehend mit jeweiligen Sportausführungen sich abwechselnd das Siegertrepchen streitig zu machen.

Wurden die Rennen zunächst nur von Privatfahrerern bestritten, so erkannten die beiden Hersteller doch sehr schnell, dass die Rennen für ungemeine Popularität der Produkte sorgten und erstklassige Verkaufsargumente lieferten. „Win on Sunday, sale on Monday“ wurde im englischen Motorsport treffsicher formuliert.

In Italien lieferten sich Piaggio aus Pontedera, MV Augusta aus Varese und Innocenti aus Mailand sowie zu Begin der 1950er Jahren immer erbitterte Duelle und die zum Einsatz kommenden Fahrzeuge hatten mit den serienmäßigen Versionen nicht mehr viel gemeinsam.
Innocenti beschäftigte eine große Anzahl von Mitarbeitern aus der Entwicklungsabteilung mit dem Bau neuer, immer speziellerer und schnellerer Modelle. Ausgesuchte Privatfahrer konnten ab Werk die Raketen auf 8“ und 10“ erwerben, den weniger betuchten Fahrern bot man spezielle Umbaukits an, die trotzdem weit außerhalb des Budgets eines gewöhnlichen Rollerfahrers lagen.


Bitubo
Hervorzuheben ist bei den Rennmodellen die Lambretta Bitubo, die mit 12“Alu-Felgen, 4Gang Getriebe, einem um 180° gedrehtem Zylinder und Doppelrohrauspuff bereits 1951 locker die 100km/h Markte knackte. Mehre Exemplare entstanden, in der letzten Ausführung erreichte sie mit einem speziellen Alkohol-Kraftstoff 150km/h.

Die Bitubo sorgte weltweit für Aufsehen und steigerte die Popularität der Lambretta erheblich, so dass Innocenti sie geschickt für Marketingaktionen einsetzte. In Deutschland wurde eine mit NSU Wappen auf dem Tank umgetaufte Maschine eingesetzt.


Lambretta 250
Der Star der 1951 Motorradshow „Fiera di Milano“ war zweifelsohne die Lambretta250.
Innerhalb kürzester Zeit hatte das Entwicklungsteam vom CentroStudi, Innocentis Entwicklungsabteilung, unter Leitung von Ing. Torre und Ing. Salmaggi ein Motorrad geschaffen, das mit einem Paukenschlag der Konkurrenz von Moto Guzzi, Ducati und Co die Fähigkeiten der Lambretta Konstrukteure zeigte.




Der 4-Takt 90°V-Zweizylinder hatte 250cc und leitete bei 9500rpm 28PS über das 5-Gang Getriebe und die Kardanwelle an das 21“ Hinterrad.

Nach dem Debüt entstanden verschiedene Versionen des Motorrads, die den verschiedenen Problemen (Zündung, Federung, Fahrverhalten) Rechnung trugen.

Der erste offizielle Einsatz fand Ende Mai 1952 im Französischen Bergerac statt, nach Führung über 17 Runden fiel das Fahrzeug von Fahrer Romolo Ferri  wegen gebrochenem Schaltarm aus. Die zweite Lambretta250 ging wegen gebrochener Zündwelle nicht an den Start.

Während des ganzen Sommers 1952 wurde die Maschine gründlich überarbeitet und startete mit komplett geändertem Getriebe im September in Locarno. Erneut wurde trotz beeindruckenden Höchstgeschwindigkeiten die Ziellinie nicht erreicht.

Die Weiterentwicklung wurde während des ganzen darauf folgenden Jahres fortgesetzt und die Maschinen bei einigen Rennen eingesetzt.

Da man letztendlich nicht alle Probleme beheben konnte wurden die Arbeiten 1953 zu Gunsten der Rollerentwicklungen eingestellt.

Trotz der geringen Rennsportlichen Erfolge war die Lambretta 250 ein Synonym für die Fähigkeiten der Ingenieure unter der Regie von Ferdinando Innocenti und eine klare Ansage an die eingesessenen Motorrad Hersteller in Italien: „…wenn ihr in den Rollersektor einsteigen möchtet werden wir dies im Motorradsektor sicher auch tun…“ Glücklicherweise überlebte ein Exemplar der letzten Entwicklungsstufe die vergangenen 60 Jahre und ist heute im Lambretta Museum in Rodano bei Mailand zu bewundern.


Siluro-Torpedo
Nachdem Innocenti offiziell im Februar 1952 in das Renngeschäft eingestiegen war, reihten sich Erfolge an Erfolge, ein Rekord jagte den nächsten – zweifelsohne angestachelt durch die Konkurrenz von Piaggio, die sich ebenfalls mühten das Maximum aus ihre Vespas heraus zu kitzeln.

Im September/Oktober 1950 wurden mit einer speziell präparierten Lambretta A 22 Weltrekorde aufgestellt. Die Antwort aus Pontedera ließ nicht lange auf sich warten, die Vespa setzte die neue Bestmarke auf 171km/h.

Bei Innocenti realisierte man, dass es nur mit einem komplett überarbeiteten Entwurf möglich sein würde die Geschwindigkeit weiter zu steigern. Das Team um Ing. Torre konstruierte entwickelte nicht nur den Motor weiter, der jetzt dank mechanischem Kompressors 16PS bei 9000rpm lieferte, sondern versah das ganze Fahrzeug mit einer charakteristischen Verkleidung, deren aerodynamischen Funktionalität im Mailänder Polytechnikum überprüft wurde.

Bereits im April 1951 erreichte man Spitzengeschwindigkeiten von 190km/h, die jedoch auf den noch stark Kriegsgeschädigten italienischen Autobahnen nicht weiter ohne Risiko erhöht werden konnten.




Aufgrund der guten Beziehungen zu NSU in Deutschland wurden neue Wege gesucht und gefunden: Am 8. August 1951 wurde die Autobahn München – Ingolstadt für wenige Stunden gesperrt und die unter höchster Geheimhaltung herbeigeschaffte Lambretta auf die Straße gelassen. Unter nicht ganz optimalen Wetterbedingungen gelang es Fahrer Romolo Ferri die 200km/h-Marke zu durchbrechen und mehrere neue Weltrekorde aufzustellen.




Der von der Lambretta gesetzte Rekord für Spitzengeschwindigkeit in der 125cc Klasse wurde erst viele Jahre später gebrochen. Noch heute, 60 Jahre nach der Rekordfahrt, nimmt die Lambretta einen achtungsvollen zweiten Platz in der Rangliste ein.

Im Mailänder Museum für Technik hat die Weltrekord Lambretta einen Ehrenplatz und man kann, trotz des fehlenden originalen Motors, als Betrachter sich nur schwer ihrem Bann entziehen.